Noch ein Padovicz-Haus: Die Hauptstraße braucht euch

Heute berichtete die taz über Mietr*innen der Hauptstraße in Lichtenberg. Erwähnt wird auch ein Aufruf, den wir hier dokumentieren.

Wer sind wir und was wollen wir?
Wir sind Mieter:innen der Haupstraße 1G-I, zwei Häuser, die akut vom Abriss bedroht sind. Wie auch andere Orte sollen diese dem Bebauungsplan an der Rummelsburger Bucht weichen, was bedeutet dass unser Wohnraum durch ein paar Luxusbauten ersetzt werden soll. Hinzu kommt, dass es Häuser des Investors Grigorij Padovicz sind und wir haben zuletzt bei der Räumung der Liebig34 erlebt, was es bedeutet, in einem Padovicz- Haus zu leben.

Wir sind kein Hausprojekt, keine Kneipe, kein linker Szeneort. Wir sind eine über die Jahre zusammengewachsene Hausgemeinschaft, die leider immer mehr anfängt zu bröckeln, da die Wohnungen gezielt entmietet werden, um die Gebäude abreißen zu können. Wir, das sind alte, wie junge Menschen unterschiedlicher Backgrounds und Geschichten, organisieren uns seit Jahren als Hausgemeinschaft und z.T. gemeinsam mit anderen Initiativen und Gruppen (Bucht-für-Alle-Initiative, padowatch etc.) und kämpfen um unsren Wohnraum. Momentan ist es eher ein fester Kern von aktiven Mieter:innen, welche die vielfältigen Aufgaben im Häuserkampf stemmen. Von Gesprächen mit Anwält:innen, über Mietergemeinschaften, Haustreffen organisieren, Kontakte mit Senat und Bezirk halten, zu dringend notwendiger Öffentlichkeitsarbeit.
Wir merken, wir kommen an unsre Belastungsgrenzen und wenden uns deshalb an euch: solidarische Bündnisse, Gruppen, Einzelpersonen und alle, die uns dabei unterstützen wollen, zu verhindern, dass die Verdrängung aus unsren Häusern still und leise vor dem lauten Hintergrund der Pandemie passiert.

Was könnt ihr tun?
Wenn ihr stadtpolitisch aktiv seid, was dazu schreiben wollt, Kontakte habt, oder uns einfach nur mitbedenkt, wenn es das nächste Mal irgendwo um Verdränung/Padovicz etc. geht, freuen wir uns sehr. Gerade an Öffentlichkeit fehlt es uns, deswegen freuen wir uns über Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit oder was euch auch immer an solidarischen Aktionen einfällt.
Ihr könnt euch gern auch unter dieser emailadresse an uns wenden: hauptstrasse_bleibt@riseup.net
Für mehr Hintergrund, haben wir im Folgenden die wichtigsten Ereignisse der letzten 1-2 Jahre zusammengefasst

Was bisher geschah…
Am 3. November 2020 erhielten alle Mietparteien Kündigungen ihrer Mietverhälnisse mit der Begründung einer mangelnden wirtschaftlichen Verwertbarkeit (= das Haus ist so kaputt, dass ein Neubau wirtschaftlicher ist, als der Erhalt). Darin wurden unterschiedliche Mängel der Häuser aufgeführt, die nur dadurch entstanden sind, weil Padovicz diese hat verwahrlosen lassen. Seit Jahren wird an unseren Häusern nichts mehr gemacht und Reparaturanfragen durch uns Mietende werden von der Hausverwaltung ignoriert. Die „mangelnde Verwertbarkeit“ wurde unserer Ansicht nach absichtlich herbei geführt, um uns nun mit dieser Begründung rauszubekommen.
Aufgrund unterschiedlicher Mietverträge sowie unterschiedlicher Kündigunsfristen werden wir gezwungen nach und nach unsere Wohnungen zu verlassen. Menschen, die teilweise um die 30 Jahre hier leben, verlieren ihr Zuhause und ihren Kiez. Die ersten Mietparteien wurden bereits zum 30. November gekündigt, darunter eine 80-jährige Mieterin. Was für ein unmenschliches Vorgehen, mitten im Lockdown den Menschen drei Wochen Zeit zu geben, sich eine neue Wohnung zu suchen. Wer den Berliner Wohnungsmarkt kennt, weiß, dass dies eine Sache der Unmöglichkeit ist. Weitere Kündigungen wurden zum 31.1., 30.4. sowie 31.7.2021 ausgesprochen. Wir lesen dies als Versuch Padoviczs unsere Organisierung als Hausgemeinschaft zu schwächen und uns zu zermürben. Er hat rein gar nichts davon, wenn wir zu unterschiedlichen Zeiten die Wohnungen verlassen, denn die Häuser können erst abgerissen werden, wenn niemand mehr drin wohnt. Er produziert damit lediglich weiteren Wohnungsleerstand sowie Existenzängste, Druck und Stress bei uns Mietenden. Einige gehen rechtlich mit Widersprüchen gegen die frühen Kündigungen unserer Wohnungen vor, andere entscheiden sich aus Angst, auf der Straße zu landen, für einen Auszug.
Wir würden gern hier bleiben, lieben unseren Garten, die weite Sicht, unsere Nachbarschaft und die Bucht. Uns wurde Ersatzwohnraum versprochen, damit wir nicht auf der Straße landen. Dieses Versprechen wurde nun wieder zurückgezogen und stattdessen hatten alle restlichen Mieter:innen pünktlich zum Ausbruch der 2. Coronawelle die Kündigungen ihrer Wohnungen im Briefkasten.

Welche Rolle spielen Senat und der Bezirk Lichtenberg?
Die Rollen von Bezirk und Senat sind und waren im kompletten Prozess um die Bebauung der Rummelsburger Bucht so undurchsichtig wie ihr Handeln.
Seit 25 Jahren wurschtelt der Bezirk an einem Bebauungsplan für das Gebiet zwischen Stralau und dem Neubaugebiet auf der anderen Seite. Der Umgang mit Informationen ist dabei eher spärlich, sowohl für die breite Öffentlichkeit, als auch für die direkt betroffenen Anwohnenden. Eine große Infoveranstaltung Anfang 2019 fällt aus und stattdessen wird eine Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einberufen (keine Pressemitteilung, keine Hinweise an die Öffentlichkeit). In dieser wird dann unter Polizeischutz und großem Protest der Öffentlichkeit der Bebauungsplan mehrheitlich beschlossen. Unterton der Veranstaltung: „wir haben jetzt lange genug diskutiert, alle Meinungen gehört, für eine wirkliche Änderung ist es jetzt zu spät, also schaffen wir Fakten“. Danach folgen hauptsächlich Lippenbekenntnisse der Unterstützung an die Anwohnenden, jahrelanges Ignorieren des Leerstandes in den Häusern und weiteres nicht-Versorgen mit Informationen.
Das Land Berlin hat inzwischen den Bebauungsplan an sich gezogen. Nachdem es jahrelang öffentliche Flächen an private Investor:innen verscherbelt, mit diesen geheime Verträge abgeschlossen und im Abgeordnetenhaus den Plan schon vor dem Bezirk beschlossen hat, gibt es immernoch keinen Plan für den Umgang mit den Anwohnenden. Der Senat beauftragte zuerst die ASUM damit, die Häuser „sozialverträglich“ zu entmieten. Als das zu langsam von Statten ging, wurde die DSK-BIG engagiert, welche „in Anlehnung an ein Sozialplanverfahren“ dafür sorgen sollte, dass die Mieter:innen ausziehen.
Bisher haben wir nicht den Eindruck, dass es bei der Vermittlung in Ersatzwohnungen, die allesamt Padovicz-Wohnungen sind, um die Bedarfe der Mieter:innen geht. Viel mehr, dass es darum geht, uns so schnell es geht rauszukriegen und gleichzeitig den Anschein zu wecken, dass sich um eine Vermittlung in Ersatzwohnraum gekümmert wurde. Die Vermittlung in weitere Padovicz-Wohnungen wird dann mit einem geheimen Vertrag zwischen dem Land und Padovicz und auch noch damit begründet ihn in die Verantwortung zu nehmen. Die Möglichkeit kommunale Wohnungsbaugesellschaften anzufragen wurde abgewiesen und es werden nach und nach einzelne Mietparteien gekündigt, ohne, dass sie eine neue Wohnung haben.
Wir freuen uns über jede Unterstützung!

Solidarische Grüße, eure Hauptstraße an der Bucht

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