Der Fall NKZ im Kleinen: Reichenberger Straße 176

„Dreck, Dreck, und nochmals Dreck“ meldet sich eine Mieterin Mitte 2018 aus der Reichenberger Straße 176 in Kreuzberg. Die Reichenberger 176 ist ein kleiner Teil des NKZ und wurde von Gijora Padovicz 2013 von der GSW/Deutsche Wohnen erworben. Verwaltet wird es von Nudelmann &
Friends, bei der Sohn Jerry Padovicz Mit-Geschäftsführer und Mit-Gesellschafter ist. Als erstes musste eine soziale Einrichtung für eine „Aufwertung“ der Gewerberäume weichen. Das Erdgeschoß und der 1.Stock beherbergten eine Demenz-WG.

Auch weiteren Vereinen, die soziale bezirkliche Arbeit leisten, wurde der jährlich befristete Mietvertrag nicht verlängert. Im übrigen Haus wohnen vorwiegend Senior*innen.
Im Erdgeschoß entstehen nun Ladenflächen für über 30 Euro/qm. Eine Diskothek im 1. Stock konnte Kotti&Co noch verhindern, da auf diesen Räumen noch eine Sozialbindung liegt. Nudelmann & Friends hatten durch hohe qm-Preise versucht zu beweisen, daß kein Interesse mehr für eine soziale Nutzung vorläge. Der Bezirk hat hier eingegriffen und setzt sich für die Unterbringung eines sozialen Trägers ein. Die Senior*innen im übrigen Haus erhielten in diesem Jahr eine Mieterhöhung, obwohl sie jetzt auf einer Baustelle wohnen und Instandhaltungsarbeiten wie undichte Fenster nicht ausgeführt werden.
In freiwerdenden Wohnungen wird sofort mit der Renovierung begonnen. Die Bewohner*innen sind zum Teil schon betagt und nicht mehr stabil auf den Beinen. Kaputte Sitze im Fahrstuhl werden nicht repariert und für die Bauarbeiten wurden die Sitzgelegenheiten im Eingangsbereich entfernt. Der Baudreck aus den Fluren und dem Eingangsbereich wird nicht regelmäßig entfernt, zum Teil über Wochen nicht, und dem Concierge wurde die Reinigung untersagt. Dazu kommt der ständige Baulärm. Das Wasser wird für die Bauarbeiten zum Teil den ganzen Tag abgestellt und dies bei Bewohner*innen, bei denen einige nicht mehr mobil sind. Hinter dem Haus hatten sich die Mieter*innen einen kleinen Garten angelegt, in dem sie sich regelmäßig trafen. Dieser
ist jetzt wegen angeblichem Rattenbefall gesperrt, die Nutzung ist untersagt. Möglichst ungemütlich soll es den verbliebenen Mieter*innen mit noch bezahlbarem Wohnraum gemacht werden und Senior*innen, die gesundheitlich nicht mehr stabil sind, haben keine Kraft sich zu wehren.

„Wir räumen hier auf mit den Dealern und so..das wird hier alles anders“ äußert sich dann auch einmal Benjamin Nudelmann. Das „anders“ sieht im Oktober auf der ImmoScout-Seite von Nudelmann & Friends für Gewerbefläche von 19 qm einen Nettokalt-Mietpreis von 855 Euro vor. Das
entspricht einem qm-Preis von 45 Euro netto-kalt für Gewerbe. Im Juli war auf der selben Seite eine renovierte und mit einfacher Ausstattung vom Möbeldiscounter bestückte Einraum-Wohnung mit 21 qm im Angebot. Für 650 Euro netto-kalt, 750 Euro inkl Nebenkosten stand sie zur Vermietung.
21 qm für 30,95 Euro pro qm netto-kalt am Kotti.

2017 konnte durch die Aufmerksamkeit von Kotti&Co der Verkauf des restlichen Ensembles des NKZ an die Unternehmensgruppe Padovicz verhindert werden. Das NKZ (Neue Kreuzberger Zentrum) war ein Bauprojekt aus West-Berliner Zeiten, dass viele mittelständische west-deutsche Einzelpersonen mit lukrativen Steuerabschreibungen zur Investition lockte. 2016 begann Padovicz einzelne Anteile von der Kommanditgesellschaft NKZ KG zu kaufen und lockte Unschlüssige mit einem Depot von 1 Millionen Euro, dass er für sie für Steuerrückforderungen eingerichtet hatte. Kotti&Co erfuhr von dem Vorgehen und informierte den Senat. In einem Bieterverfahren konnte das NKZ im April 2017 vom Land, der landeseigenen GEWOBAG, angekauft werden. Welche Zukunft den Mieter*innen und Gewerbetreibenden erspart blieb, zeigt die Gegenwart der Reichenberger 176!

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.