Gestern beschloss die Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg auf Initiative der Grünen-Fraktion folgenden Text:
Gerade in unserem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der ohne die Instandbesetzungen der 1970er und 1980er Jahre, die den Komplettabriss etwa von SO36 durch die sogenannte „Kahlschlagsanierung“ verhinderten und die Besetzungen nach der Wende in Friedrichshain, heute nicht der Bezirk wäre, in dem wir leben und leben wollen, sind zahlreiche alternative Haus- und Kulturprojekte von Verdrängung oder Räumung bedroht, deren Verschwinden unseren Bezirk ärmer machen würde.
So ist etwa das Hausprojekt in der Liebigstraße 34 akut von Räumung bedroht. Die Bewohner*innen des anarcha-queer-feministischen Hausprojekts haben einen Ort geschaffen, an dem als Kollektiv ohne patriarchale bzw. diskriminierende Strukturen zusammengelebt werden kann. Das Haus ist ein einzigartiger Schutzraum für Frauen*, Lesben, inter, non-binary und trans Personen. Es ist eine wichtige Anlaufstelle für Menschen, die aufgrund ihrer finanziellen Lage oder Diskriminierungserfahrungen keinen anderen, sicheren Ort zum Leben finden. Es kann nicht sein, dass während Berlin sich als queere Hauptstadt inszeniert, ein solches einzigartiges queerfeministisches Hausprojekt seine Heimat verliert. Viele Menschen, die Schutz und Geborgenheit benötigen, würden ihr Zuhause und ihr soziales Umfeld verlieren, in dem sich so manche von ihnen von Diskriminierungserfahrungen erholen.
Mit seinem solidarischen Kiezbezug, seiner Widerständigkeit und dem antipatriarchal – politischen Anspruch prägt das Haus seit über zwei Jahrzehnten den Samariterkiez mit und ist von dort eigentlich nicht wegzudenken. Es ist fest in der Nachbarschaft des Samariterkiezes verwurzelt, bietet jenseits der fortschreitenden Kommerzialisierung wichtige Infrastruktur für kulturellen und politischen Austausch. Es ist einer der wenigen verblieben Freiräume in einem zunehmend von Gentrifizierung und Verdrängung bedrohten Kiez. Die Liebig34 ist eben nicht irgendein Haus. Ein solches über viele Jahre gewachsenes anarcha-queer-feministischen Hausprojekt lässt sich nicht einfach verpflanzen. Der Verlust für unseren Bezirk wäre nicht zu ersetzen. Sie sind Teil unserer Identität, unabhängig davon ob wir uns nun mit den dort geführten Diskursen identifizieren können oder nicht.
Deshalb appellieren wir als gewählte Vertreter*innen unseres Bezirks noch einmal an den derzeitigen Eigentümer der Immobilie, die Unternehmensgruppe Padovicz, den ausgelaufenen Pachtvertrag zu verlängern oder sich auf die Möglichkeit einzulassen, das Haus zu einem angemessenen Preis an die Bewohner*innen, eine gemeinwohlorientierte Stiftung oder Genossenschaft, eine städtische Wohnungsbaugesellschaft oder an das Land Berlin selbst zu verkaufen.
Nachzulesen hier
Schade, dass sich der Appell nur an Padovicz und nicht an das Land Berlin richtet. Die Landespolitik ist auffallend still was die prognostizierte Räumung des Hauses nach dem verlorenen Räumungsprozess am 3. Juni angeht. Wir erwarten, dass sich die BVV-Verordneten aus Friedrichshain-Kreuzberg nach so einem Petitionstext am Tag einer Räumung hinter bzw. vor das Haus stellt und so praktische Solidarität beweist.