Padovicz-Brache am Rummelsburger See besetzt

Bäume, Strand und Wägen. So schön kann die Rummelsburger Bucht sein.


Die Besetzung geht weiter: Trotz der anderslautenden Meldungen wird der neue Wagenplatz in der Rummelsburger Bucht nicht von der Polizei behelligt. Es gab bisher keine Verhandlungen mit dem Senat (noch akueller Eigentümer), oder Padovicz (der hat die Fläche gekauft). Laut TAZ will der Senat bis Anfang Juli nicht räumen lassen. Statt dessen wird jetzt für Infrastruktur gesorgt. Auf Twitter heißt es: „Wenn ihr etwas mitbringen könnt (Wasser, Holz, Nägel, Planen, (Müll)Tonnen und gute Laune) freuen wir uns darüber.“ (Stand: Sonntag, 12:40)

Gestern, am 25. Mai, besetzen in aller Frühe mehrere Wägen eine Brachfläche in der Hauptstraße um dort eine Wagenburg zu errichten. Das Gelände befindet sich neben den Wohnhäusern Hauptstraße 1g-i, die demnächst abgerissen werden sollen. Die Brache ist wild bewachsen und durch Bauzäune umringt. Bislang gehörte die Brache dem Land Berlin, wurde aber an Gijora Padovicz zur Bebauung verkauft. Er will, laut Planung des Architekten Stephan Krause, dort Luxuswohnungen errichten (Bild unten).

Planung des Investors Padovicz

Wir dokumentieren die Erklärung der Besetzer*innen:


Protestaktion gegen den Bebauungsplan der Rummelsburger Bucht und die Verdrängung alternativer Wohn- und Lebensformen

Wir von der Wagengruppe DieselA haben heute die Hauptstraße 1 an der Rummelsburger Bucht besetzt. Wir sind eine Gruppe von Menschen, die derzeit an der Straßenkante im Laster stehen und leben. Damit gehören wir zu den zahlreichen Menschen, die in Berlin derzeit keinen Platz mehr finden- die Wohnungen sind unbezahlbar geworden und auch die Wagenplätze sind überfüllt…

Wir stehen hier an der Rummelsburger Bucht aber nicht durch Zufall. Hier in der Rummelsburger Bucht zeichnet sich ein Bild ab, wie es derzeit überall in Berlin zu sehen ist: Anwohner_innen und alternative Wohn- und Lebensprojekte werden von kapitalistischen Bauprojekten verdrängt- denn das was zählt ist Wachstum, Mehrwert und Effizienz- und nicht die Bedürfnisse der Menschen und der Schutz von Biotopen.

Die letzten unkommerziell genutzten und teilweise brachliegenden Flächen an der Rummelsburger Bucht sollen nun auch noch zugebaut werden. Dafür hat der Bezirk den „Bebauungsplan Ostkreuz entwickelt.“ Hier sollen 500 teure Wohnungen entstehen, wovon 110 angeblich gefördert sind, hierzu gibt es aber keine Zusicherungen der Investoren. Ansonsten sollen kommerzielle Gewerbeflächen, Büros, und die Touristenattraktion Coral World gebaut werden. Der Bezirk ignorierte die bürgerliche Beteiligung an der Entwicklung des Standortes, sowie die Proteste diesbezüglich und verabschiedete den Bebauungsplan Ostkreuz in der BVV Lichtenberg vor einem Monat am 29.04.2019 ohne jegliche Bezugnahme auf alternative Vorschläge. Dabei hatte es Protest und Bemühungen diverser Formen gegeben- von Demos, Offenen Briefen, Petitionen über Gesprächen mit Landes- und Bezirkspolitik und Pressearbeit bis zur Entwicklung eines Alternativkonzeptes und einer „Volksinitiative“ mit 20.000 offiziellen Unterschriften zur Neubearbeitung der Entwicklungsziele- all dies wurde am Ende vom Bezirk Lichtenberg unter fadenscheinigen Argumenten abgeschmettert.

Es ist offensichtlich wie nie zuvor: Städteplanung rennt den Geldströmen und den Kapitalinteressen hinterher, die ansässigen Menschen sollen in diesem Netzwerk funktionieren, von selbstbestimmter Beteiligung am eigenen Lebensraum kann immer weniger die Rede sein. Die Struktur der Stadt dient vorgefertigten Lebensentwürfen – Lohnarbeit, Kleinfamilie, horrende Mieten, noch mehr Lohnarbeit, die Ekstase am Wochenende und dann bitteschön weiterhin funktionieren – jede Abweichung dieser Lebensführung ist ein Angriff auf den Status quo der turbokapitalistischen nationalen Maschinerie. Die läuft nur, wenn wir dementsprechend funktionieren.

Die Besetzung dieses Grundstückes in der Rummelsburger Bucht ist eine Positionierung. Wagenplatzkämpfe sind für uns nicht isoliert zu betrachten. Sie sind Teil von Kämpfen gegen die Durchsetzung von Kapitalinteressen der Stadt.

Wir besetzten dieses Grundstück, um klarzustellen, dass wir uns einerseits mit den hier in der Bucht aber auch Berlinweiten Kämpfen um Lebensraum, alternative Lebensweisen, unkommerzielle und autonome Nutzungen verbünden. Wir solidarisieren uns mit den bedrohten Projekten, dem anarchaqueerfeministischen Hausprojekt Liebeig 34, der Kadterschmiede, dem Jugendzentrum Potse, den Barkollektiven Meuterei und Syndikat- und wir fordern auch einen Platz für unsere Wagengruppe. Wir wollen längerfristig einen Ort bewohnen, an dem wir leben, uns organisieren und nachbarschaftliche Netzwerke pflegen können.

Wir verstehen Wagenplätze als experimentelles Lebenskonzept, ein selbstgewählte nomadische Struktur, die auf vielfältige Arten gelebt wird. Sie ist geprägt von einer „do-it-yourself-“ anstatt von einer „wegschmeiß Kultur“, sie experimentiert mit erneuerbaren Energien und erprobt autonome Lebensentwürfe. In Zeiten der Klimaerwärmung, des Artensterbens, der Ressourcenknappheit, der Rücksichtslosen Durchsetzung von Großbauprojekten um im neoliberalen Sinne Mehrwert zu erwirtschaften, sind Wagenplätze eine konsequente Anpassung an die Begrenztheit von Ressourcen, die mit der eigenen bewussten Reduzierung beginnt und somit eine zeitgemäße Vision antikapitalistischer Alternativen darstellt. Es ist auch eine Entscheidung, sich dem Mietmarkt zu entziehen, der mit den unverhältnismäßig hohen Mieten in der Relation zum Einkommen einem täglichen Überlebenskampf gleichkommt. Doch die kapitalistische Verwertungslogik macht auch vor Vereinnahmung der Idee des Wagenlebens nicht halt- so wird im Konzept der „Tiny Houses“ diese Wohnform aufgegriffen – nur wer kann sich einen Bauwagen für 30.000 Euro leisten? Es entsteht so ein neuer Markt, Werkstätten die diese „kostengünstigen“ Pendants herstellen, Tiny-House Messen, in denen sich Google CEOs ihr abenteuerlich- naturverbundenes mobile-Gartenhaus aussuchen. Für all das gibt es genügend Platz in der Stadt- aber Wagenplätze sind immer noch stigmatisiert und kämpfen um ihre Existenz- denn wo kein Mehrwert – kein Interesse.

Es gibt noch ungenutzte Brachflächen in dieser Stadt, doch Zugriff auf diese ist für Menschen, die diese Stadt bewohnen überaus schwer bis unmöglich. Denn entweder sie dienen Grundstücksspekulationen oder werden mit kapitalintensiven, unsinnigen Bauprojekten zugebombt. Die vermeintliche demokratische Mitbestimmung von unserem Lebensraum wird vom neoliberalen Markt diktiert.

Wir von der Wagengruppe DieselA stellen uns dagegen!

Wir fordern die Möglichkeit der langfristigen freien Nutzung von brachliegenden Flächen für Wagenplätze und einen Platz für die Wagengruppe DieselA.

Wir sind für eine unkommerzielle solidarische Entwicklung von Stadt- Enteignung von deutsche Wohnen&Co, Senkung des Mietspiegels, Umsetzung des Alternativbebauungsplans der Rummelsburger Bucht, Unbefristete Verlängerung aller Verträge der bedrohte Projekte, Baustopp für A100, Knäste zu Baulücken – Baulücken zu Wagenplätzen!

Wenn die Forderungen nicht erfüllt werden, dann ist keine Brachfläche und kein leerstehendes Haus mehr sicher- Wir holen die Stadt zurück- Besetzen überall, für ein kollektives, kulturell vielfältiges, solidarisches und wiederständiges Berlin!

Wagenplätze statt Bürogebäude – Hausboote statt Coralworld – Zeltstädte statt Padovicz

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