Manchmal braucht es einige Umwege, damit ein Thema in der Öffentlichkeit Beachtung findet. Unsere Pressekonferenz mit Peter Grottian im Nachgang zur Mietenwahnsinn-Demo hatte das Ziel nochmal viele kleinteiligen Fakten in die Debatte um Enteignung einzubringen. Immerhin berichteten Tagesspiegel, TAZ, Neues Deutschland und Mieterecho dazu. Unser Dossier zur Pressekonferenz findet ihr hier. Der nachfolgende Text beschreibt was es in aller Kürze zu Padovicz zu sagen gibt.
Seit Mai 2018 hat PadoWatch Informationen zu den Geschäftspraktiken des Hauseigentümers Gijora Padovicz und seiner Unternehmensgruppe zusammengetragen. Wir haben mit betroffenen und ehemaligen Mieter*innen gesprochen, Mieter*innen-Initiativen befragt, uns mit Rechtsanwälten und Ex-Geschäftspartnern getroffen, im Handelsregister recherchiert, Informationen von Whistleblowern bekommen und einen Fragebogen entwickelt, der On- und Offline verfügbar ist. Bei unserer Recherche zeichnete sich immer wieder ab, daß es mehrere ähnliche Firmengeflechte in Berlin gibt und auch die Praktiken im Umgang mit den Mieter*innen sich decken.
Das Ziel ist die Entmietung, um mit Modernisierung und Neuvermietung das Betongold abzuschöpfen. Padovicz steht daher auch symbolisch für einen Teil der Immobilieneigentümer, die auf dem momentan desaströsen Wohnungsmarkt, aus der Angst vor Obdachlosigkeit Profit schlagen. Im letzten Jahr konnten wir vielen Mieter*innen aus Padovicz-Häusern durch die Vernetzung Rückhalt geben und ihnen bei Problemen mit unbegründeten Mieterhöhungen, Modernisierungsankündigungen und beim Umgang mit untransparenten Betriebskostenabrechnungen helfen.
Es begann in den 90iger Jahren, als Padovicz mit politischer Unterstützung des Bezirkes Friedrichshain-Kreuzberg an 100 sanierungsbedürftige Häuser gelangte. Durch das Programm „Soziale Stadterneuerung“ (SoSt) waren Fördermittel für Sanierungen leicht zugänglich. Mehr oder weniger wurde ein Teil der Häuser mit den Fördermitteln und Krediten der Investitionsbank von ihm instand gesetzt. Im Oktober 2000 gab es erste Proteste gegen Padovicz von 40 Handwerker*innen einer Tischlerei, deren Abschlußrechnung nicht bezahlt wurde.
Eine Auflage nach der Sanierung mit Mitteln aus dem SoSt war, daß die Mietobergrenze nach dem Wohnraumgesetz eingehalten wird. Eine Anfrage an den Senat 2014 zeigte, das wegen Verstößen gegen die Einhaltung der Mietobergrenze und der Belegungsbindung, 14 Verfahren im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, zwei bei der Investitionsbank Berlin (IBB) und zwei bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt noch nicht rechtskräftig entschieden waren. Eine Nachfrage Ende 2015 ergab, dass sich die Verfahren im Bezirk noch in der Berufung befinden. Der heutige Stand ist uns nicht bekannt.
Die an die SoSt-Förderung gebundene Deckelung der Miethöhe beginnt 2020 auszulaufen. Einige Mieter*innen haben bereits Schreiben mit der Ankündigung einer Mieterhöhung auf 14 Euro netto-kalt erhalten, was zum Teil einer Verdoppelung entspricht.
Circa 130 weitere unsanierte Häuser sind im Besitz von Unternehmen mit dem Eigentümer Padovicz oder seiner Kinder. Befristete Mietverträge auf ein Jahr oder Leerstand bis zu einem Drittel des Gebäudes sind keine Seltenheit.
Vertragsverlängerungen werden an unbegründete Mieterhöhungen geknüpft. Eine Konstante in der Kommunikation mit den Mieter*innen ist keine Kommunikation mit den Mieter*innen. Angezeigte Mängel werden erst beseitigt, wenn Schreiben aus einer Kanzlei kommen. Gebäude werden nicht ordnungsgemäß instand gehalten. Das, was erhalten wird, ist die ständige Angst der Mieter*innen ihre Wohnungen zu verlieren. Nach unseren Gesprächen mit vielen Mieter*innen beherrscht diese Angst ihren Alltag.
Auch alternative Lebensräume, Clubkultur und Kleingewerbe bleiben nicht verschont. Am Kottbusser Tor musste eine Demenz-WG weichen, Kiez-Musikkneipen wurde gekündigt, den Clubs die Miete verdoppelt und dem einzigen Berliner anarcha-queer feministischen Hausprojekt in der Liebigstr 34 droht die Verdrängung. Ihr Pachtvertrag ist im Dezember 2018 abgelaufen. Freiräume und Lebensräume werden vernichtet. Räume, die für politische und experimentelle Berliner Kultur stehen.
Aber Widerstand formiert sich in der Stadtgesellschaft: Einer der letzten Berliner Freiräume befindet sich an der Rummelsburger Bucht. An der Hauptstraße besitzt Padovicz seit ein paar Jahren zwei Häuser und einen Grundstücksstreifen bis zur Bucht. Angestoßen durch eine öffentliche Begehung im September 2018 durch PadoWatch, wurden viele Initiativen wiederbelebt, die sich bereits vor Jahren für den Erhalt von Freiflächen und einen zeitgemäßen Bebauungsplan eingesetzt hatten. Wie die meisten mittlerweile wissen, hat die Neubelebung der Diskussion über den Bebauungsplan auf politischer Ebene eine Debatte ausgelöst und die Abstimmung auf Bezirksebene wurde immer wieder verschoben.
Zum Stand August 2018 waren 22 Firmen geschäftsführend auf Gijora Padovicz im Handelsregister eingetragen. Davon 9 in alleiniger Geschäftsführung, 13 als zweiter Geschäftsführer, davon 7 gemeinsam mit seinem Sohn Jerry Padovicz. Nach unserer Umfrage sind die meisten Häuser im Eigentum der Firmen: Berlin Projekt Immobilienmanagement GmbH und der Signadia
Grundbesitz GmbH und Co KG. Die Verwaltung der Immobilien ist auf mehrere Hausverwaltungen verteilt, die größte Häufung von Immobilien liegt bei Factor (seit 1.1.19 Komplex GmbH) und Vivo.
Warum wir Padovicz auch als „Wohnraumvernichter“ bezeichnen, beweist eine aktuelle Entwicklung, die wir anhand des Beispiels Seumestraße 1/2 nachzeichnen können. Häuser werden entmietet, um sie dann modernisiert und möbliert auf Zeit oder als Ferienwohnungen zu vermieten. In der Reichenberger Straße 176 am Kottbusser Tor, das vorwiegend von Senior*innen bewohnt ist, werden freiwerdende Wohnungen sofort modernisiert, einfach möbliert und dann für über 30 Euro netto-kalt von Nudelmann & Friends (GF: Benjamin Nudelmann und Jerry Padovicz) angeboten.
Im März 2018 wurde eine neue Firma mit dem selben Firmensitz wie die Unternehmensgruppe Padovicz, dem Kurfürstendamm 178/179, im Handelsregister eingetragen. Der Geschäftsführer der GreyStay GmbH, Ferdinand Wrobel, hat Padovicz bereits häufig bei Prozessen als Anwalt vertreten. GreyStay bietet momentan möblierte Wohnungen zur Miete in fünf Padovicz Objekten an. Ob GreyStay auch die Vermietung in der Seumestraße 2 übernimmt, wird die Zukunft zeigen. Zur Zeit werden allein dort 50 Wohnungen mit Möbeln ausgestattet. Hier wurde kein Wohnraum modernisiert, sondern schlicht vom normalen Mietmarkt genommen. Die Wohnungen stehen nicht mehr für langfristige Mietverhältnisse zur Verfügung. Diese Art der Wohnraumvernichtung geschieht schleichend. Sie ist verbunden mit langem Leerstand. Deshalb unterstützen wir die Initiative „Neue Berliner Linie!“, die sich dafür stark macht Leerstandsbesetzungen nicht mehr durch die Polizei räumen zu lassen.