Prozessbericht: Verdrängung durch Modernisierung

Beim Berufungsprozess zur Duldung umfangreicher Modernisierungsmaßnahmen in der Krüllsstr. (Treptow), hat sich eine Mieterin heute auf einen Vergleich mit dem Eigentümer Padovicz (vertreten durch den Anwalt Ferdinand Wrobel) eingelassen. Der sieht vor, dass sie die Wohnung innerhalb eines halben Jahres verlässt und eine Abfindung von 7.500 Euro bekommt. Ein üblicher Ausgang solcher Verfahren – sagen die Juristen.
Unüblich ist die Sicherheitsverfügung, die heute morgen durch das Landgericht erlassen wurde. Aufgund eines Hinweises des Landeskriminalamts Berlin hat sich das Gericht entschieden die Zuschauerzahl auf 14 im Saal zu beschränken, Polizei vor und im Gebäude zu platzieren und Kontrollen durchzuführen.

Rund 20 solidarische Mieter*innen waren erschienen – offenbar ein Sicherheitsproblem für diese Entmietungsprozesse, die täglich reibungslos über die Bühne gehen: Eigentümer wollen ihre Häuser „auf den aktuellen Stand“ bringen und Mieter*innen wehren sich gegen die Aufwertung, weil diese einerseits das Weiterbewohnen zeitweise unmöglich macht und die Kosten der (Luxus-)Modernsierung auf die Miete umgelegt werden. Im vorliegenden Fall ging es nicht nur um neue Balkone, einen Fahrstuhl, Heizung, Fenster, Außendämmung und Strangerneuerung, sondern auch um das Abhängen von Decken. Die Miete sollte von 202.62 € auf 827.51 € steigen. Die Bauarbeiten und die Miethöhe danach, machen einen Auszug der Mieterin unumgänglich.
Der Richter, Michael Vaterrodt, stellte auch heute klar, dass er die geplante Modernisierung angemessen und überhaupt nicht luxuriös findet, auch wenn er selbst nicht immer einen Fahrstuhl braucht, ist der schon praktisch. Vielleicht ließe sich an der später zu zahlenden Miethöhe noch was drehen. Aber nicht heute und nicht in seinem Verfahren. Aufgrund der kritischen Öffentlichkeit ließ er sich zumindest zu langatminger Entschuldigungs-Prosa hinreißen. Die Gesetze seien nun mal so…, die Gewaltenteilung … und auch wenn uns das allen (inklusive ihm) nicht gefällt… Mit einer Prise Rebellion herrschte er noch den Anwalt von Padovicz aus der Kanzlei Lascar-Rechtsanwälte an, aber ließ keinen Zweifel, dass er zuungunsten der Mieterin entscheiden wird.
Den Ball des Gerichts aufnehmend schlug der ziemlich schmierige Ferdinand Wrobel vor das Mietverhältnis zu beenden. Ab dann ging es um den Preis und nicht mehr darum ob überhaupt modernisiert werden darf.

Gelernt haben wir:
1) Padovicz zahlt weiterhin Abfindungen – auch wenn diese lächerlich sind – um zu entmieten. Das ist interessant für alle die zukünftig von ihm entmietet werden. Ohne sehr gute Anwälte der Mieter*innenvereine würde nicht mal das klappen.
2) Die Berliner Richter*innen sind zwar beeindruckt von der Mieter*innenbewegung, stehlen sich aber routiniert aus der Verantwortung.
3) Das LKA Berlin betreibt eine Kriminalisierung der Mieter*innenbewegung, und sorgt letztlich dafür, dass nur noch ein Teil der Öffentlichkeit an Prozessen teilnehmen können.
4) Dennoch: Mieter*innen in Prozessen zu unterstützen lohnt sich.

UPDATE: Laut Anfrage in der BVV Treptow-Köpenick vom März 2019 steht das Haus weiterhin leer. Es wird nicht gebaut, nichts modernisiert. Stattdessen wurde der Bauantrag zurückgezogen. Padovicz hatte nie vor das Haus zu modernisieren, sondern wollte nur die Mieter*innen los werden. In der Antwort des Bezirksamtes steht auch, dass der ursprünglich Antrag auf Modernisierung vom Bezirksamt selbst eingefordert wurde, weil die Zustände in dem Haus wohl unhaltbar waren. Die Mieter*innen dürften davon nichts gewusst haben.

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